Lebendiges Evangelium

Lebendiges Evangelium

Beim „Lebendigen Evangelium“ geht es darum, etwas von den Erfahrungen der Menschen mit Gott, die sie in der Bibel niedergeschrieben haben, zu lernen und diese Erkenntnis für das eigene Leben zu nutzen. Für den Gründer der CAJ, Josef Cardijn, war die Verbindung von Evangelium und Leben ein zentraler Punkt. "Euer Leben ist das fünfte Evangelium", waren immer wieder Worte Cardijns. Das ist weniger eine Feststellung, als vielmehr eine Aufforderung. Lebt so, dass andere Menschen euch und euer Leben als Vorbild sehen, dass in eurem Handeln das Handeln Gottes durchscheint. Damit die Texte der Bibel überhaupt wichtig und nützlich sein können, müssen sie aber erstmal verstanden werden. Cardijn war der Meinung, dass wir Menschen Jesus Christus kennenlernen müssen: Was war das für ein Typ? Warum sprechen wir heute noch von ihm? Was hat er alles gemacht? Was hat er gepredigt? Dann kann ich sagen, das gefällt mir! Ich möchte Jesus nachfolgen und versuche mein Handeln, an ihm auszurichten!“ Mehr noch…ich baue eine Beziehung zu ihm auf. Und dieses kann am besten funktionieren, wenn ich in der Bibel lese.

 „Leben und Evangelium müssen eine Einheit bilden“

„Leben und Evangelium müssen eine Einheit bilden“ liest man immer wieder in den Schriften von Joseph Cardijn. So ist es die Aufgabe der KABler/-innen selbst, das zu verkünden, was sie für ihr Leben von Jesus begriffen haben. Dies tun sie aber nicht durch große Worte, sondern durch ihr eigenes Leben. Denn erst, wenn das Evangelium zu leben beginnt, ist es eine Botschaft, die jeder Mensch verstehen kann.

Das „Lebendige Evangelium“

Die CAJ hat zur Erreichung dieses Ziels eine Methode entwickelt: das sogenannte „Lebendige Evangelium“. Das „Lebendige Evangelium“ ist keine trockene Bibelstunde oder eine theologische oder exegetische Diskussion, die für die TeilnehmerInnen unverbindlich bleibt. Nein, das „Lebendige Evangelium“ ist vielmehr ein Gespräch, bei dem es darum geht, das Wort Gottes auf das eigene Leben anzuwenden.

Die Methode

- Vorbereitung -

Diese praktische Methode braucht ein bisschen Vorbereitung. Wer das „Lebendige Evangelium“ als Methode verwenden möchte, sollte sich zunächst überlegen, welche Bibelstelle er verwenden möchte. Die Gruppe kann beispielsweise ein Thema, eine Erfahrung oder ein Erlebnis wählen, zu dem dann ein passender Text ausgesucht wird. Wenn der Text dann feststeht, sollte er gut aufbereitet werden. Dabei kann es helfen, den Text im Vorfeld mit einer anderen Person schon einmal durchzusprechen. Es kann auch hilfreich sein, einmal in die Bibliothek zu gehen und einige Dinge in einem Kommentar nachzulesen. Dabei bekommt man den Text klarer und kann überlegen, wo es vielleicht Fragen oder Probleme geben könnte. Aber keine Sorge!!! Der Text muss nicht perfekt ausgelegt werden! Es kann auch hilfreich sein, sich Gedanken darüber zu machen, welche Übersetzung des Bibeltextes verwendet werden soll. Vielleicht gibt es eine Version, die dem Sprachgebrauch der Gruppe mehr entspricht als die meist verwendete Einheitsübersetzung!? Die Bibel in Gerechter Sprache oder die Volxbibel sind beispielsweise neben der üblichen Einheitsübersetzung weitere Bibelübersetzungen. Diese findest du auch im Internet: www.volxbibel.de , bzw. www.bibel-in-gerechter-sprache.de/.

- Die Regeln -

Regeln aufzählen! Gerade wenn sich die Gruppe noch nicht so gut kennt, sollte man mit den Teilnehmenden wichtige Regeln durchsprechen: Beim „Lebendigen Evangelium“ sollen die Meinungen und Lebensthemen der TeilnehmerInnen zur Sprache kommen. Dafür braucht es Vertrauen und auch einen respektvollen Umgang damit. Da muss nicht alles durchdiskutiert werden, persönliche Meinungen sollten auch mal stehen bleiben können.

Die drei Schritte

Grundlage des „Lebendigen Evangeliums“ ist der von Josef Cardijn entwickelte Dreischritt „Sehen-Urteilen-Handeln“.

1. SEHEN: Hinter dem „Sehen“ steckt die Frage: Was steht im Text? Diese Frage zwingt uns zum genauen Lesen und soll die Gefahr vermeiden, dass etwas in den Text hineingelesen wird. Vielmehr soll hier die Chance entstehen, sich etwas vom Text erzählen zu lassen. Also genau hinzuhören und den Text zum Handelnden zu machen: Was will uns der Text sagen?

2. URTEILEN: Was sagt mir der Text, wenn ich mein eigenes Leben und Lebenserlebnisse betrachte? Was kann der Text mir heute sagen? Was steht für mich / für uns im Text? oder auch: Wo passiert das heute? Hier wird der biblische Text auf unsere konkrete Situation bezogen.

3. HANDELN: „Handeln“ meint: Was geben wir darauf für eine Antwort? Wie können wir aus dem Text Handlungsimpulse ziehen, die in unserer Situation hilfreich wären.

- los geht’s -

Bei der Durchführung des Lebendigen Evangeliums gibt es 6 Schritte:

1) Ein (frei formuliertes) Gebet.

2) Den Text in der Runde vorlesen.

3) Den Text nacherzählen lassen.

4) Welcher ist der Kernsatz des Textes? – bis hierher SEHEN

5) Was will die Stelle uns sagen? Hier: URTEILEN

6) Einen konkreten Vorsatz fassen. Hier: HANDELN

1. Warum mit einem Gebet anfangen? Das Gebet hilft der Gruppe, sich auf die Methode und die intensiven Gespräche einzustimmen. Gemeinsam wird im Gebet um den Beistand Gottes für das Handeln unserer Gruppe gebeten.

2. Text laut vorlesen: Nach dem Gebet wird die Bibelstelle laut vorgelesen. Damit sich die TeilnehmerInnen besser auf den Text konzentrieren können, kann es helfen, wenn jeder einen Satz der Reihe nach vorliest.

3. Text nacherzählen: Damit der Text besser verstanden werden kann, bietet es sich an, den Text von den Teilnehmenden nacherzählen zu lassen. Möglicherweise kann es auch helfen, wenn der/die LeiterIn den Inhalt des Textes noch einmal in einem modernen Kontext wiedergibt, oder durch Überzeichnung provozierend auf den Kern des Textes hinweist.

4. Kernsatz des Textes: Hierbei kann es auch nötig sein, dass einzelne Begriffe oder Zusammenhänge durch den Leiter/die Leiterin erklärt werden. Gemeinsam wird so schließlich die Hauptaussage des Textes erarbeitet.

5. Was will die Stelle uns sagen? Ist dies geschehen und alle TeilnehmerInnen haben den Inhalt der Bibelstelle verstanden, geht es nun darum, Anknüpfungspunkte zum Leben der TeilnehmerInnen herauszufinden. Fragen wie „Was heißt das auf unsere Situation übertragen?, Wo finden wir Anknüpfungspunkte zu unserem Leben? Was will Christus uns mit diesen Worten sagen?“ können dabei helfen, das Erarbeitete auf das eigene Leben zu beziehen.

6. Einen konkreten Vorsatz fassen: Dabei bleibt es aber nicht, denn das Evangelium wird erst dann lebendig, wenn die Gruppe und jeder einzelne Teilnehmer/jede einzelne Teilnehmerin daraus ganz konkrete Konsequenzen für sein/ihr eigenes Leben ableiten kann. Erst dann können Leben und Evangelium eine Einheit werden.

Vorsicht!

Diskussionen nicht abwürgen - Zeit einplanen: Die Diskussionen können schon mal sehr viel Zeit in Anspruch nehmen, oder aber das Gespräch kommt nicht so richtig in Gang. Dem kann man entgegenwirken, indem der Leiter/die Leiterin sich auf die Diskussion gut vorbereitet. Man kann sich im Vorfeld bereits Fragen überlegen, die aus dem Umfeld der TeilnehmerInnen Probleme oder Themen aufgreifen usw.

Wird das Gespräch später noch mal aufgegriffen?

Ist so eigentlich erst mal nicht vorgesehen. Wenn man die Methode regelmäßig anwendet kann man natürlich zu Beginn immer mal eine kurze Abfrage zum letzten Gespräch machen. Aber eigentlich ist sich da jeder für sich selbst verantwortlich. Früher haben die CAJler noch so genannte „Vorkäpfer- oder Helferinnentagebücher“, dort schrieben sie alles auf. In regelmäßigen Abständen machte man dann eine „revision de vie“, also eine Lebensbetrachtung, wo dann ganz genau auf das Handeln jedes Einzelnen geschaut wurde.

(In veränderter Weise zuerst erschienen in: Binger/ Köster/ Otten (Hrsg.), ...und jetzt noch was Frommes?!, Düsseldorf 2012.)

Tipp

Als kleine Hilfe gibt es das „Evangelium des Monats“ mit vorbereiteten Impulsfragen auf der Internetseite www.lebendiges-evangelium.de .